Interview mit Martina Demmel Teil 2

Hier geht’s zu Teil 1 des Interviews

 

Wer war oder sind deine Vorbilder und wie fühlt es sich an inzwischen selbst ein Vorbild für andere zu sein?

Ich hatte nie ein konkretes Vorbild, sondern alle um mich herum sind Vorbilder für mich – egal ob sie auf was für einem Kletterniveau sie sich bewegen. Denn jeder hat etwas an sich von dem man etwas lernen kann. Vor allem auf der mentalen Ebene. Manche können z.B. vom Kopf her total entspannt bleiben und das finde ich voll beeindruckend. Deswegen sehe ich mich selbst auch gar nicht so als Vorbild, auch wenn man da schwer drum rum kommt, wenn man schwer klettert. Das ist jedenfalls ein komisches und ungewohntes Gefühl für mich, aber ich hoffe, dass ich anderen mitgeben kann, dass sie einfach das Klettern aus Spaß machen sollten und nicht zu Ernst an die Sache rangehen sollten. Außerdem, dass sie einfach viele Routen probieren und an den Schwächen arbeiten sollten und am wichtigsten ist: einfach Spaß bei der Sache haben.

Klondike Cat (11-) Bärenschlucht ©Christian Seitz
Der Schwierigkeitsgrad ist oft „nur“ eine Richtline. Je nachdem, wie einem ein Style liegt, fällt jedem eine andere Tour leichter oder schwerer. Was war bisher deine herausforderndste Route und warum?

Die Aussage kann ich nur bestätigen. So oft klettere ich eine Tour z.B. einen 10er, der sich viel leichter anfühlt als ein 9er. Deswegen mache ich mir eigentlich nie einen großen Kopf über die Grade und nehme das eigentlich nur als Orientierung, um beim Einstieg in die Kletterroute zu wissen, was auf einen zukommt. Jeder hat auch andere Voraussetzungen. Ich bin recht klein und schnell wird bei einem Längenzug gesagt, dass es nicht gehen würde. Man kann aber immer mal hoch anstehen oder einen Zwischengriff finden. Dadurch fühlt es sich für jeden schon unterschiedlich schwer an. Das coole beim Klettern ist aber auch, dass jeder unabhängig von den Voraussetzungen den Sport ausüben kann und deswegen kann man auch nicht für jeden die Schwierigkeitsgrade verallgemeinern.

Was meine herausforderndste Route war? Das ist eine schwere Frage. Mir würden da mehrere einfallen, aber eine kommt mir da besonders in den Sinn: das war Dures Limites in Ceuse, die ich diesen Sommer kletterte. Da konnte ich in den ersten drei Versuchen nicht mal die Einzelzüge aneinanderhängen und es fühlte sich nach einem sehr langen Weg bis zum Durchstieg an. Im dritten Versuch bekam ich auch Einzelzüge, die schon mal geklappt hatten, nicht auf Anhieb hin. Abgesehen davon musste ich davor und danach ja auch noch einige Züge anreihen. Da war mir bewusst: das braucht noch viel Arbeit und Einschleifen. Ich machte dann meinen fünften Versuch und das war so ein „magischer Go“, wo alles wie auf Schienen durchlief und ich bis jetzt nicht glauben kann, dass dies der Durchstiegsgo war und ich wirklich diese Tour geklettert bin. Das war so der krasseste Unterschied zwischen dem Gefühl des Ausboulderns bis zum plötzlichen Durchstieg. Da gibt’s aber auch noch viele andere Touren, die schon länger zurückliegen und meine damalige Leistungsgrenze waren. Schon oft war ich kurz vor dem Aufgeben und kam doch immer wieder so ein Glückstag, wo man sich im Nachhinein denkt: „warum habe ich dafür so lange gebraucht?“, weil es sich beim Durchstieg dann doch so unbeschwert anfühlte. Das sind immer richtig schöne Momente, wenn dann einfach alles von selbst läuft und man gar nicht mehr darüber nachdenken muss, was man als Nächstes machen muss.

Battle Cat (8c) Hängender Stein ©Christian Seitz
In diesem Jahr hast du unter Corona Bedingungen ja auch Weltcup Luft schnuppern dürfen. Werden wir dich im nächsten Jahr öfter auf Wettkämpfen sehen oder bleibt das Felsklettern deine große Leidenschaft?

Es war eine sau coole Erfahrung auf dem Weltcup dabei zu sein und es war einfach nochmal was ganz anderes als das Sportklettern am Fels. Vor allem im Halbfinale: da hatte ich gleich mal den coolsten Startplatz als erste Starterin. Ich glaub was geileres, als ohne Druck und ohne sich verschlechtern zu können zu starten, kann man sich nicht vorstellen. In der Hinsicht war es ein eher kleines Publikum mit 3000 Leuten, aber für mich ein riesen Publikum! Es ist nochmal was ganz anderes zu Klettern, wenn hinter einem so eine Menschenmenge anfeuert. Ein Wahnsinns Gefühl! Das hat richtig Spaß gemacht und ich hab auf jeden Fall vor im nächsten Jahr wieder Wettkämpfe zu starten. Da muss man aber erst mal schauen, wie es mit Corona weitergeht und ob Wettkämpfe im Klettern stattfinden dürfen. Dann muss ich auch schauen, wo ich starten darf. Doch ich habe richtig Lust und bin auf jeden Fall voll motiviert! Trotzdem bleibt das Felsklettern meine große Leidenschaft und ich werde hauptsächlich weiter draußen klettern. Wenn ich weiß, dass ich Wettkämpfe starten kann, dann werde ich auch paar Mal in die Halle gehen, weil ich da besser für das Wettkampfklettern trainieren kann. Dort lernt man dann die Griffe und Schraubstile kennen ich muss dort auch die Koordinationszüge und die modernen Kletterstile üben, weil es da bei mir von vorne bis hinten fehlt. Das kann man am Fels einfach nicht trainieren. Ansonsten werde ich aber jede freie Minute dem Felsklettern widmen, weil mir das einfach am meisten taugt.

Desaster (10+) Bärenschlucht ©Christian Seitz
Was sind deine Ziele für den Winter und für das nächste Jahr?

Es war jetzt oft so, dass ich meine Ziele oft unerwartet schnell geschafft habe und deswegen fällt es mir bisschen schwer realistische Ziele für die nächste Zeit zu setzen. Ich bin auch einfach zufrieden wie es gerade läuft und möchte mir keinen Druck machen, dass es noch besser laufen muss. Normal ist es schon so, dass man etwas schafft und das stellt einen für eine Zeit lang zufrieden und dann kommt wieder Motivation, wo man dann schaut, ob es nicht doch irgendwie weiter geht und man sich doch noch steigern kann. Jedenfalls habe ich das Gefühl, dass mein Limit noch nicht erreicht ist und ich möchte noch schauen, wo meine Grenzen sind. Ich habe jetzt über die Zeit und den letzten Sommer paar Routen ins Auge gefasst, die schwerer sind als 8c denke ich, aber auch Routen, die bisschen unter 8c sind, die mich definitiv genug fordern. Da habe ich auch schon welche probiert und bisschen ausgebouldert oder auch schon alle Einzelzüge geschafft, aber da ist’s einfach noch ein weiter Weg bis zum Durchstieg und ich bin gespannt, was in der nächsten Zeit noch so geht.

Sonst ist mein Hauptziel immer so viele Routen wie möglich zu sehen und zu probieren und am besten auch nicht nur daheim. Doch ich schätze es auch sehr momentan in der Gegend viel entdecken zu können und bin sehr gern in Tirol oder Kochel bei mir daheim und zwischendurch im Franken und genieße es keinen Druck zu haben, weil man nicht überlegen muss „Jetzt habe ich nur noch ein zwei Tage bis zur Abreise“. So kann ich einfach entspannt die Routen probieren, weil ich weiß, dass ich in nächster Zeit eh hierbleiben werde.

Es ist derzeit auch schwer zu sagen, wann man wieder Reisen darf (hoffentlich bald!) und dann wäre ich mega motiviert Richtung Spanien oder Frankreich oder vielleicht auch Griechenland oder die Türkei zu fahren. Da habe ich schon einige Routen, die mir im Kopf rumschwirren, von denen ich z.B. in Filmen schon mal was gesehen habe oder Erzählungen gehört habe. Das müssen auch keine Touren am Limit sein, sondern einfach reichlich Kletterrouten in allen Graden, die ich wirklich mal probieren möchte. Dafür reicht wahrscheinlich das ganze Leben nicht.

Mein größtes Ziel ist, insbesondere auch in der aktuellen Situation, selbst gesund zu bleiben, dass Familie und Freunde gesund bleiben und dass ich mich selbst nicht verletzte. Hier hatte ich auch das Glück, dass ich bisher noch keine Verletzung hatte. Ich hoffe einfach, das Klettern voll und ganz genießen zu können und würde mich freuen, wenn man bald wieder reisen darf.

Nicht von dieser Welt (9) am Dromedar ©Christian Seitz
Eure Fragen:

Wie konnte Martina so schnell so gut werden?

Schwer zu beantworten und ich was das selbst nicht so genau. Was mir geholfen hat ist, dass ich viele verschiedene Touren geklettert habe und nie dachte: „das ist mein Ziel“, sondern alles war irgendwie mein Ziel bzw. hatte ich kein konkretes Ziel. Ich probiere einfach jede Art von Tour und ich glaube dadurch habe ich eine große Bandbreite an Zügen gewonnen und konnte Touren recht schnell lesen. Es ging anfangs schnell bergauf bei mir und dann habe ich aufgehört Erwartungen zu stellen, was den Druck rausgenommen hat. Das hat auch geholfen.

Wie trainiert Martina?

Eigentlich trainiere ich gar nicht. Ich geh eigentlich nur am Felsklettern und meine Ruhetage richten sich nach dem Wetter und danach wie meine Kletterpartner Zeit und Lust haben. Was ich aber mache, ist, jeden Tag dehnen und bisschen Blackroll und ich bemühe mich alle drei Tage bisschen Theraband und Liegestützen usw. zu machen, weil ich mich dann deutlich ausgeglichener fühle. Vermutlich könnte ich noch stärker klettern, wenn ich gezielt trainieren würde, aber darauf hab ich einfach nicht so viel Lust und stupide Wiederholungen von einer bestimmten Übung zu machen langweilt mich eher. Es ist bestimmt cool, wenn man dann die Erfolge des Trainings sieht, aber lieber klettere ich einen Grad weniger und nutze dafür aber jede freie Minute am Fels, anstatt wertvolle Felskletterzeit für das Training zu „opfern“. Vielleicht ändert sich das in der Zukunft auch – wir werden es sehen.

 

Ticklist (persönliche Favoriten und Highlights):
Martina Demmel nach dem Durchstieg von Battle Cat (8c) am Hängenden Stein ©Christian Seitz

Sportklettern:
-Roof Warrior 8c 2nd go (Franken, 2020)
-King of the Bongo 8c 3rd go (Rottachberg, 2020)
-Battle Cat 8c 3rd go (Franken, 2020)
-Götterquergang lang 8c 3rd go (Götterwandl, 2020)
-Dures Limites 8c 5th go (Céüse, 2020)
-Kale borroka 8b+ 4th go (Siurana, 2019)
-I riflessi del rosso 8b+ 2nd go (Arco, 2020)
-Renegoide 8b+ 5th go (Siurana, 2020)
-Nola 8b+ 2nd go (Franken, 2020)
-Baby love 8b+ 3rd go (Kochel, 2020)
-Black Bean 8b+ 2nd go (Céüse, 2020)
–   Mastermind 8b+ 2nd go (Franken, 2020)
-Pati pa mi 8b onsight (Siurana, 2019)
-Radote jolie pépère 8b onsight (Céüse, 2020)
-Avanzi di Galera 8a+ onsight (Arco, 2020)
-Sms 8a+ onsight (Franken, 2020)
-Beauté de chine 8a+ onsight (Tournoux, 2020)
-Encore 8a+ onsight (Céüse, 2020)
– Fingerfood 8a+ flash (Franken, 2020)

Desaster (10+) Bärenschlucht ©Christian Seitz

Bouldern:
-Panic Room 7C (Kochel, 2019)
-Amateur 7B+ (Franken, 2019)
-Wini Two 7B+ (Silvretta, 2019)
-La rampe infinie 7B flash (Bleau, 2019)
-James Bong 7B (Magic Wood, 2019)
-Fangidifigidi 7B (Zillertal, 2019)
-Odin 7B flash (Silvretta, 2019)
-Donnerpfeiffe 7B 2nd go (Silvretta, 2019)
-Sir Borg 7B (Kochel, 2019)
-Tuccami tutta 7A+ (Cresciano, 2019) …

Mehrseillängen:
-Gsi or not to be 7c, 8 pitches, 200m, crux pitch 2nd go (Martinswand, 2020)
-Fiedler flunger 7b, 8 pitches, 200m, onsight (Martinswand, 2020
-Tiramisu 7a+, 7 pitches, 180m, onsight (Martinswand, 2020)

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