RÜCKBLICK AUF 7 JAHRE POST SCHULTER LABRUM OPERATION – TEIL 2
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3 Wochen bouldern in den Rocklands, knapp 4 Monate Wandern und Reisen ohne Klettern, Arbeiten im Ausland, gefolgt von Klettern in den Grampians: Nach 7 Wochen Bouldern im Südosten Australiens meldete sich meine Schulter erstmals 1 Jahr post OP wieder mit Schmerzen. Kein Problem: 2 Wochen Pause mit Rumreisen verbringen und dann zurück in den Nationalpark mit ein bisschen mehr Abwechslung: die Kombination aus Trad, Sportklettern und Bouldern sind definitiv der schulterfreundlichere Mix und so war auch erstmal alles wieder gut.
Die Schulter zwickt
Zurück in Deutschland erwartete mich 2018 ein tolle Wettkampfsaison. Belohnt wurden mein 3. Platz an der Süddeutschen Meisterschaft und der 4. Platz an der Deutschen Meisterschaft mit einem schon länger ersehnten World Cup Start. Ausgerechnet wenige Wochen vorher machte die Schulter erneut Probleme. Für mich hielt ich daher fest: den World Cup Start lasse ich mir nicht entgehen und danach wird 2-3 Wochen pausiert. Gesagt, getan. Die leider schulterlastige World Cup Quali hat riesig Spaß gemacht und ich bin sehr dankbar für dieses Erlebnis. An meine Pause hielt ich mich auch. Allerdings wurden aus 2-3 Wochen dann 2-3 Monate und es wurde eher schlimmer statt besser. Irgendwann wurde sogar Tisch abwischen schmerzhaft. Also ging das Spielchen von vorne los. Ärzte abklappern, geduldig sein, optimistisch bleiben. MRTs, CTs, Röntgenbilder,.. nach bisschen Suchen, da es recht schwierig zu sehen war, lautete die Diagnose dann: eine kleine Schraube der ersten OP (die eigentlich drinbleiben sollte) hatte sich gelockert, drückte fast auf einen Knorpel und verursachte eine dicke Entzündung. Direkt war klar: die muss also wieder raus à OP 2.0.
HÖHEN UND TIEFEN
Die zweite OP im Mai 2019 verlief viel glimpflicher. Eigentlich musste ich nur die Wundheilung aussitzen. Ich brauchte nicht mal eine Schlinge und ging dann auch nur zu Physio anstatt eine Reha zu durchlaufen. Nur blieb weiterhin die 100-prozentige Beweglichkeit aus.
Nach dem World Cup, der Operation 6 Monate später und der damit verbundenen Pause, rückte das Klettern für eine lange Zeit in den Hintergrund meines Alltags. Ich vermisste es kaum und hatte meine 7 Tage die Woche trotzdem immer gut gefüllt. Doch die Schulter war stets tief vergraben im Hinterkopf mein insgeheimes Sorgenkind. Bin ich im Alter mal anfälliger für Arthrose oder andere physische Probleme, wenn ich nichts mache? Kann ich mit Anfang 20 einfach auf die Beweglichkeit meiner Schulter verzichten? Die Gedanken waren immer da, aber ich habe sie nie weiterverfolgt. Nach 1 – 1,5 Jahren überwiegend Kletterpause, fingen die Boulderhallen an mein Gesicht wieder 1-2 die Woche zu sehen. Inzwischen sind wir auch schon im Jahr 2020 angekommen und alle wissen, was in diesem Jahr uns aller Leben erschwert hat 😉 Masken, Lockdowns und Co. Das regelmäßige Bouldern war also wieder dahin.
Endlich wieder entspannt auf der operierten Schulter schlafen
Die Zeit verstrich und dann wurden durch meine Familie begeistere Erfahrungsberichte von einem Osteopathen an mich herangetragen. Mein Umgang mit Reputationen war inzwischen sehr kritisch geprägt, da ich schon manch eine Enttäuschung erlebt hatte. Jedoch waren meine Ohren gespitzt und mein Interesse geweckt. Gleichzeitig hatte ich in dieser Zeit mit einigen über Verletzungen und Gesundheit gesprochen und wir sind immer wieder zu dem Ergebnis gekommen: deine Gesundheit sollte dir wichtig sein. Warum nehmen wir uns Zeit und Geld für viele Dinge, die weniger wichtig als die Gesundheit sind? Also entschloss ich mich kurzerhand dem Ganzen eine Chance zu geben.
Die Behandlung war spannend, manches kannte ich, vieles war mir neu. Gefallen hat mir direkt, dass ich vom kleinen Zeh bis zur Nasenspitze angeschaut wurde. Interessant wurde es als er meinte „Die Operation vor 6-7 Jahren hätten Sie gar nicht gebraucht.“ Halt Stopp was sagt er da? Mir wurde erklärt, dass der Körper mit dem Unfall damals ein Trauma erlitt und der Körper dann mit Schutzmechanismen reagiert, was mir auch nicht neu war. Was mir jedoch nicht klar war, dass der Körper dann quasi wieder „resetted“ werden muss. Konkreter gesagt, müssen die verschobenen Wirbel, Hüfte,.. wieder in ihre korrekte Position gebracht werden, damit sich alles regenerieren kann. So stand z.B. meine Hüfte schief, was auch den Nacken und die Schulter beeinflusst usw. Ganz sanft, ohne Knacken oder Schmerzen wurde also alles was so schief war bei mir wieder ins Lot gebracht. Ganz überzeugt war ich noch nicht und als ich das Zimmer verließ fühlte ich mich unverändert.
Am nächsten Tag war ich dann geflasht: meine Schulter fühlte sich 10 kg leichter an, ich hatte bequem auf meiner operierten Schulter geschlafen, eine Freundin wollte mir was Gutes tun und mich massieren, doch es gab nichts zum Massieren und nach dem Bouldern kam mir plötzlich: wie stehts denn eigentlich mit der Beweglichkeit. Also machte ich den Tests der Tests. Noch nie waren 6 Jahre nicht erfolgreiches Dehnen so erfreulich: Rücken auf die Matte, Arm auf Schulterhöhe ablegen, Arm abknicken, ICH BERÜHRE DIE MATTE NOCH! Mit Kloß im Hals freute ich mich so sehr über dieses „Erfolgserlebnis“ als hätte ich gerade 8b gebouldert. Wow. Ich kann meinen Arm wieder frei bewegen. Stolz wie Oskar erzählte ich sämtlichen Freunden davon, dass ich diese Bewegung jetzt nach 7 Jahren wieder beherrschte! Über Tage und Wochen hinweg machte ich immer wieder den Test, um mich zu vergewissern, dass es auch so bleibt. 6 Monate nach dem Termin und über 6 Jahre später kann ich jetzt sagen: meine Schulter ist wieder beweglich.
3 Dinge, die ich gleich und 3, die ich anders machen würde
Könnte ich alles rückgängig machen, würde ich
- mehr Meinungen von Physios und Osteopathen einholen
- an eine Uniklinik gehen, da sich dort nicht ein Arzt sondern mehrere Ärzte, Studenten o.ä. meine Schulter angeschaut hätten. Kein Arzt dieser Welt ist perfekt und sieht, weiß oder kennt alles
- mich, wenn möglich, um einen Weg ohne Operation bemühen. Wäre es dann mit der Beweglichkeit trotzdem so gewesen, würde ich dem Ganzen intensiver nachgehen, um eine volle Wiederherstellung zu ermöglichen.
- wie damals, wieder eine Reha machen. Das war super und hat mir gutgetan. Neben dem hilfreichen Training für die Schulter gab mir die Reha Motivation, Beschäftigung und Zuversicht.
- wieder kontinuierlich und so lange wie möglich zu Physio gehen. Das gab mir Vertrauen, Sicherheit und Rückhalt und bot mir eine Anlaufstelle, wenn ich unsicher war, was ich machen darf, kann soll oder lassen soll oder wenn mal wieder was zwickte.
- wieder meine Schmerzen wahrnehmen und kommunizieren. Schnell pusht man sich selbst wieder in seiner Leistung oder wird von anderen gepusht. Wenn man sich unwohl fühlt, Schmerzen hat oder sonst was, dann muss man einfach mal Ruhe geben, einen Boulder auslassen,.. hätte ich immer auf andere gehört, wäre einiges vermutlich schlechter gelaufen. Du selbst kennst deinen Körper am besten!
Danke
Ohne Unterstützung würde ich jetzt bestimmt noch nicht beschwerdefrei Dynos und Handstände machen. Deshalb geht ein Dank an alle Ärzte, Physios und Osteopathen und jede Einzelperson, die mir bis hierhin geholfen hat. Besondere Hilfe habe ich von meinen Eltern bekommen, die mir Osteopathie Termine ermöglichten, meine Launen ertrugen und mich in vielen kleinen alltäglichen Dingen rundum versorgten.
Als Trainingspartner und Aufmunterer stand mir Sebi von Anfang bis zur Seite, wofür ich sehr dankbar bin.
Mein „Leid“ teilen konnte ich besonders mit der Pema, die etwas ähnliches, aber noch schlimmeres durchgemacht hatte und mich deshalb in allem verstand.
Später hinzu kam dann mein Mann, der immer versucht mir alles zu ermöglichen, Ratgeber und Zuhörer zu sein und mir viel Freude ins Leben zaubert, auch wenn es Mal einer Kletterpause bedarf.